Themes for Voice and Dance: Chucks Zimmer | Rezension auf www.tanz.at 2004

Poesie, Stimme, Tanz und Licht vom Feinsten
von Ulrike Moschen

Was haben die Texte von Wolf Wondratschek, Pop-Lyriker und Kult-Autor der Siebziger, und Julyen Hamilton, einer der innovativsten Improvisationskünstler, gemeinsam? Und was kommt dabei heraus, wenn die beiden miteinander auf die Bühne gehen?

„Deine Mutter liebt dich zu sehr, und dein Vater will dir schlechtes Bier verkaufen“, und beim Rauchen der ersten Zigarette spürt da einer beim Husten, wo die Seele sitzt: Das Vereinnahmende an Wondratscheks Texten, die er höchstpersönlich mit hypnotischer Stimme vorträgt, ist die Reibung zwischen ungefiltert Poetischem und ganz banal Alltäglichem. Bei Julyen Hamilton sind es die glasklare Leichtigkeit und lyrische Verspieltheit seines Tanzstils, die im nächsten Moment abbrechen und in die reduzierte Zielgerichtetheit von Alltagsbewegungen kippen. In Chucks Zimmer. Themes for voice and dance treffen außer diesen beiden Welten noch Christian Reiners vielseitige Stimmperformance und eine einfache, aber deshalb nicht weniger starke Lichtarchitektur aufeinander. Zugegeben, das Setting, die Form der Interaktion, entbehren nicht einer gewissen Antiquiertheit, und die Zusammensetzung des Materials nicht einer gelegentlichen Beliebigkeit, wie es in der Improvisation kaum zu vermeiden ist. Und wenn Julyen Hamilton gleichzeitig tanzt und spricht, sind das die schwächeren Momente, in denen sein blindes Gespür für das richtige Timing, seine Klarheit und die feine Interaktion zwischen den Künstlern für kurze Momente leiden. Aber wenn das Licht verstreute Vierecke auf die leere Bühne zaubert, Reiner und Hamilton damit auf je eine kleine Lichtinsel verbannt und dann doch wieder alle im selben leeren Lichtraum vereint, stimmt das Gleichgewicht wieder zwischen den verschiedenen Kunstformen und deren feinem Humor und Poesie.

„Die Sonne geht im Osten auf. Im Westen geht sie unter. Das muss genügen“, begann Wolf Wondratschek seinen Part. Chucks Zimmer endete mit einem Teppich aus gleißendem Orange und einem weißen Lichtkegel in der Mitte: Poesie, Stimme, Tanz und Licht vom Feinsten. Das genügte allemal.

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